Alexander Bertsch

Eine Sinfonie der Welt (2014)

Es geht um das ungewöhnliche Schicksal eines in Heidelberg geborenen Komponisten und Musikwissenschaftlers im 20.Jahrhundert: Franz Niemann schließt sich 1935 in Frankfurt einer Widerstandsgruppe an, wird zwei Jahre später von der Gestapo aufgespürt und gerät in die Mühlen der Nazidiktatur.

Nach dem Krieg beginnt er in seiner Künstlerklause am Philosophenweg in Heidelberg mit der Komposition einer großen Programm-Sinfonie. Er versucht, seine traumatischen Erlebnisse durch die intensive Beschäftigung mit Musik zu verarbeiten. Themen und Melodien beziehen sich oft auf Menschen, die er geliebt und verloren hat.

„Alas, my love, you do me wrong", ein englisches Lied, wird zum Leitmotiv des Werkes — Erinnerung an eine Geliebte, die in diesen leidvollen Zeiten für immer aus seinem Leben verschwunden ist. Bei der Beerdigung von Franz Niemann auf dem Heidelberger Bergfriedhof ist auch Martina Fahrenbach zugegen, die der Komponist zur Betreuerin seines künstlerischen Nachlasses bestimmt hat.

 

2014 verlag regionalkultur

Bahnhofstraße 2
76698 Ubstadt-Weiher
ISBN 978-3-89735-855-3


Textproben

Plötzlich und unerwartet. Lapidar, auf den Punkt gebracht, dachte Martina. Die übliche Formel. Nicht zu euphemistisch. Das wäre ihm zuwider gewesen.
Franz Niemann war am 2. Februar gestorben. An einem Dienstagmorgen. Ich kann Beerdigungen nicht leiden, aber … es ist Franz! Wenn die Menschen, die uns etwas bedeuten, lange leben, denken wir einfach, dass sie immer da sein müssten.
Sie war nach Heidelberg unterwegs. Verstört und beunruhigt. Irgendwie beunruhigt.
Am frühen Nachmittag sollte die Beisetzung auf dem Bergfriedhof stattfinden. Sie versuchte sich daran zu erinnern, wann sie sich zuletzt getroffen hatten – das letzte Mal. Und dachte an frühere Begegnungen. Wie ein Film zogen sie an ihr vorbei.
Das Wetter spielte verrückt. Schon zweimal war durch einen Platzregen der Verkehr auf der Autobahn fast zum Erliegen gekommen.
Alles schien im Moment mit der bevorstehenden Beerdigung zusammenzuhängen: die Monotonie der Autobahnlandschaft, die Unberechenbarkeit des Wetters, ein paar Raben auf einer Wiese, der Kadaver eines undefinierbaren kleinen Tieres auf der Überholspur. Wieder war es dunkler geworden.
Kurz vor Darmstadt stand sie im Stau. Warten. Ausharren. Kurze Zeit später kam die Sonne wieder durch und tauchte alles in gleißendes Licht. Während der ganzen Fahrt hielt dieser Wechsel von Licht und Dunkelheit an.
Die Beerdigung findet auf Wunsch des Verstorbenen nur im engsten Familien- und Freundeskreis statt.
Was bedeutet in diesem Fall engster Kreis?, dachte Martina. Neunundachtzig Jahre! Wenn jemand so viele Jahre diese Welt bewohnt, wer bleibt dann noch übrig? Von den Familienangehörigen leben wohl nicht mehr viele. Und von den Freunden? Gibt es noch welche?
Sie war frühzeitig in Frankfurt losgefahren. Aber als sie den Wagen abstellte, hatte die Trauerfeier schon begonnen.
Sie eilte durch den Bergfriedhof nach oben auf die Kapelle zu. Auf den Wegen da und dort ein flüchtig zusammengewürfeltes Blättermosaik. Manchmal sickerte ein wenig Sonnenlicht durch die Wolken. Wie zufällig wurden ein Grabplatte, ein paar Sträucher, eine Stele oder eine Engelstatue für kurze Zeit angeleuchtet. Dann fiel wieder das Dunkel über den Friedhof, der Wind schüttelte die Wassertropfen von den Bäumen und Sträuchern auf die Gräber.


Kein gewöhnliches Gartenhaus. Eine Behausung, die von Franz Niemann viele Jahre ständig bewohnt worden war.
Hierher hast du dich zurückgezogen, um deine große Sinfonie zu komponieren. Dein Reich – dein Privatreich, in dem niemals Kriege verhindert werden. Aber vielleicht konntest du den Krieg ‚verarbeiten‘, den du hinter dir hattest? Ich werde das herausfinden müssen. Martina war gespannt, was sie erwartete.

Martina öffnete die Glastür und stand vor einem großen, in völliger Dunkelheit liegenden Raum. Sie betätigte einen Lichtschalter, den sie am Balken zu ihrer Linken ertastet hatte. Ganz vorne über dem Flügel ging eine Lampe an: Sie betrachtete ein Chaos unbeschreiblicher Art, das sie zwar von früher her kannte, das sich aber in den letzten Jahren noch verstärkt haben musste. Berge von Büchern und Noten, die zwei von den seitlichen Fenstern überwachsen hatten.
Sie bewegte sich vorsichtig nach vorne auf den Flügel zu, umrundete ihn, trat vor den rechts daneben stehenden Schreibtisch und fand in der Ecke endlich eine dicke Kordel für den Vorhang.
Licht flutete nun wie eine Riesenwelle in das große Zimmer. Die gesamte vordere Front bestand aus Glasscheiben, die vom Boden bis zur Decke reichten. Martina schaute auf den Fluss hinunter. Der zum Klischee erstarrte Blick Merians auf Schloss und Altstadtpanorama. Franz Niemanns Spezialblick! Über viele Jahrzehnte diese besondere Aussicht. Immer wieder ein Panorama für Inspiration?

Sie ging in den Garten hinaus, begab sich zu dem hölzernen weiß gestrichenen Liegestuhl, der neben dem Gartentisch in Blickrichtung Altstadt stand, stellte die Rückenlehne hoch und setzte sich hinein.
Sie hatte das Werktagebuch mitgenommen, legte es neben sich auf den Boden. Sie schloss für kurze Zeit die Augen. Unten im Tal begannen die Kirchenglocken zu läuten. Sie ließ sich von der Atmosphäre des Ortes anstecken und ihre Gedanken flogen ins Land hinaus:
Ja, ein besonderer Ort. Worin besteht sein Geheimnis? Dieses enge Tal, in dem sich die Stadt zu beiden Seiten des Neckars nach oben ausgebreitet hat. Die außergewöhnliche Lage an diesem Fluss. Dort verliert er sich in der weiten Rheinebene, er entschwindet in der Ferne, im Dunst, der ganz unterschiedliche Ursachen haben kann, es verschwindet etwas im Unbestimmten, die vage Ahnung eines Flusses liegt noch über der Ebene.

Sie nahm den dicken Ordner auf und begann wieder zu blättern. Sie stieß auf eine Stelle, wo Franz auf ‚seinen‘ Fluss zu sprechen kam.
… Er ist auf seinem Weg hierher an vielen Städten und Landschaften vorbeigeströmt. Er wird sie alle mitnehmen, die schönen und die öden Orte, die Schlösser und Burgen an seinen Uferhöhen, die Wiesenländer und dunklen Waldhänge. Für ihn gibt es keinen Stillstand, sein Weiterfließen gleicht einer unendlichen Melodie, die in der Tat niemals endet: Wenn er sich in Mannheim mit dem ‚großen Bruder‘ vereinigt, bringt er seine Themen und Motive mit und verbindet sie mit jenen des Rheins, fließt mit ihm zusammen dem Meere zu und auf dem Weg dahin gesellen sich weitere Themen aus allen Richtungen hinzu – kann man sich eine größere Vielfalt der Stimmen vorstellen? Eine reichhaltigere Polyphonie? Der Fluss ist mein Vorbild geworden. Er nimmt in seinem Bett alles auf – wie ich in meiner Musik: Thema gesellt sich zu Thema, Kontrapunkte bilden sich heraus, weitere Elemente werden dazu gemischt, Dynamik und Klangfarbe. Alles trägt seinen Teil bei, ist gleichberechtigt, auch in der Fortspinnung und Verfremdung. Jedes Element hat seinen Platz, klingt mit …


Pressestimmen

Andreas Sommer in "Heilbronner Stimme" am 4. Februar 2015

1993 erschien Alexander Bertschs erster Roman ,,Wie Asche im Wind", der die halbherzige deutsche Holocaust-Bewältigung thematisiert. 1999 legte Bertsch den zweiten Roman „Die endliche Reise" vor, in dem er vom Verlust der Utopien am Beispiel von Alt-68ern erzählt. Mit einem Mix aus Künstlerroman und Thriller überraschte er 2004 in „Die Liebe, die Kunst und der Tod" und einem narzisstischen Mörder, der Gedichtzeilen von Rimbaud und Baudelaire am Tatort hinterlässt.
Nun ist Bertschs vierter Roman „Eine Sinfonie der Welt" erschienen: ein bis ins Detail glänzend recherchiertes Panorama deutscher Geschichte des 20. Jahrhunderts, festgemacht am Schicksal des fiktiven Komponisten und Musikwissenschaftlers Franz Niemann.
Niemann wird 1909 in Heidelberg geboren, hier wird er 90 Jahre später, am 2. Februar 1999, sterben. Dazwischen liegt ein langes, reiches, gefährdetes, zweifelndes und spannendes Leben an den Brennpunkten  der Zeitläufte. Drei Städte spielen eine besondere Rolle: Heidelberg, Wien und Frankfurt
Der kunstvoll komponierte Roman beginnt mit der Beerdigung Franz Niemanns auf dem Heidelberger Bergfriedhof. In seinem Testament hat er die Musikwissenschaftlerin Martina Fahrenbach zur Betreuerin seines Nachlasses bestimmt, der aus der umfangreichen Partitur einer Sinfonie, Tagebüchern und einer unvollendeten Autobiografie besteht.
Drei Jahre arbeitet sie sich durch das Material, bis am 21. September 2002 in Heidelberg Teile aus Niemanns „Sinfonie der Welt" erstmals öffentlich aufgeführt werden. Damit endet der Roman. „Was bleibt, ist die Musik", hat Niemann im Sinn von Ernst Bloch in seinem Tagebuch vermerkt.
Auf 550 Seiten entwickelt Alexander Bertsch die außergewöhnliche Lebensgeschichte seines Helden. 1927 bis 1933 studiert er in Frankfurt Musikwissenschaft. Unter der NS-Diktatur gilt sein Forschungsgegenstand, Arnold Schönberg und sein Kreis, als „entartet". Niemann wechselt nach Wien, wo er Freunde und Liebe findet. Zurückgekehrt nach Frankfurt, schlägt er sich als Klavierlehrer durch und schließt sich einer Widerstandsgruppe an. Er wird von der Gestapo verhaftet, muss ins Zuchthaus und 1942 in ein Strafbataillon auf dem Balkan. In Griechenland läuft er zu den Partisanen über und gerät in britische Kriegsgefangenschaft.
1946 kommt Niemann nach Heidelberg zurück und beginnt in seinem Gartenhaus am Philosophenweg mit der Komposition seiner Sinfonie, einem programmatischen Werk, dessen einzelne Sätze oder Teile Menschen gewidmet sind, die er getroffen, geliebt und verloren hat. Komponieren als Spurensuche und Vergangenheitsbewältigung. Von der Existenz seines Sohnes, der einer Liebesnacht mit der später im KZ Ravensbrück ermordeten Widerstandskämpferin Anna entstammt, erfährt Niemann erst viel später. Ende der 60er Jahre erlebt er eine kurze Liebe mit einer früheren Schülerin, lebt als Eigenbrötler am Philosophenweg und komponiert an seiner Welt-Musik, begleitet von der Musik-Philosophie Ernst Blochs und dessen „Prinzip Hoffnung". Kritik findet Adornos Musik-Ästhetik.
Bertsch, für den Schreiben etwas mit „objektivierter Erinnerung" zu tun hat, erzählt plastisch und fesselnd, indem er fiktive und reale Personen an authentischen Schauplätzen und Ereignissen wie dem RAF-Terror oder der Wende zusammenführt und seine profunde Kenntnis der Musikgeschichte zum Katalysator des Geschehens macht. Neben allen philosophischen Diskursen ist das Buch: auch ein Denkmal für alle Menschen, die Widerstand wagen.

Dirk Krüger in "informationen", Wissenschaftliche Zeitschrift des Studienkreises Deutscher Widerstand 1933 - 1945, Nr.81, Frankfurt, Mai 2015

Die Handlung des Romans beginnt mit dem Tod und der Beerdigung des Haupthelden Franz Niemann. An der Trauerfeier nimmt auch die langjährige Bekannte und Bewunderin des Komponisten, Martina Fahrenbach, teil, die zur künstlerischen Nachlassverwalterin bestimmt wird. In den folgenden Wochen und Monaten vertieft sie sich in die „Biografischen Anmerkungen", die „Tagebücher und Briefe" und in das „Werktagebuch" - Dokumente, die Niemann hinterlassen hat. Sie vertieft sich in dieses andere Leben, stellt sich vor, wie Franz Niemann an den verschiedenen Orten seines Wirkens gelebt hat, verfolgt seinen Weg durch die verworrene und oft tragische Geschichte seines Jahrhunderts und seines zeitweise irrsinnig gewordenen Landes.
Damit beginnt die eigentliche Schilderung des Lebens von Franz Niemann, der in Heidelberg in einer „bürgerlich-akademischen Hochburg" aufwächst und später in Frankfurt ein Studium der Musikwissenschaft aufnimmt. Hier macht er Bekanntschaft mit der Literatur, mit der Musik Arnold Schönbergs, Alban Bergs, Adornos und der „Neger-Musik". Aber auch erste politische und soziale Fragen beschäftigen ihn. Im Frühjahr 1932 lernt er Sofie Bertram kennen. Sie verlieben sich. Auf einem ihrer romantischen Spaziergänge begegnen sie einer Gruppe Nazis, die mit dem Lied „Die Fahne hoch..." durch die Gegend ziehen. Ein Konzert, das die beiden besuchen, wird durch Nazis massiv gestört.
Im Frühjahr 1933 trifft der „Arier-Paragraph" seine jüdischen Professoren. Er erlebt den 1. April 1933 und die Bücherverbrennungen vom 10. Mai auf dem „Römer". Völlig aus der Fassung bringt ihn das Eingeständnis seines Vaters, Mitglied der NSDAP geworden zu sein.
Niemann entschließt sich, sein Studium in Wien fortzusetzen, wo noch liberale Bedingungen herrschen. Hier will er seine Doktorarbeit zum Leben und Werk von Arnold Schönberg schreiben. Doch auch in Wien gehören faschistische Aktivitäten zunehmend zum Alltag. Dennoch bestimmen eine lebendige studentische Freundesgruppe, anrührende Liebschaften und sein Pendeln zwischen Wien, Heidelberg und Frankfurt sein Leben. Aber die studentische Freundesgruppe bricht auseinander, sein jüdischer Professor wählt den Suizid, seine Liebesbeziehungen erfüllen sich nicht. 1935 kehrt er nach Frankfurt zurück. Ein neuer Lebensabschnitt beginnt.
Niemann betätigt sich als Klavierlehrer und „fällt politisch auf". Zu alten Bekannten und Freunden erneuert er die Verbindungen und engagiert sich in einer Jazzband. Für ihn ist das aber noch kein Widerstand, sondern eine „Protesthaltung". Er bekommt Kontakt zu einer politisch und weltanschaulich breiten Widerstandsgruppe , wird aktives Mitglied. Niemann wird schließlich verhaftet und wegen Hochverrats zu viereinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt. Ende Juni 1942 wird er entlassen und mit dem Strafbataillon 999 zunächst in Jugoslawien und danach in Griechenland eingesetzt. Er erlebt die „Verbrechen der Wehrmacht". Mit seinem Freund Leonhard gelingt ihm die Flucht zu den griechischen Partisanen. Nach der Befreiung Griechenlands bringen britische Truppen sie in ein Lager nach Kairo. Ende 1946 kehren Franz und Leonhard nach Heidelberg und Frankfurt zurück.
Hier beginnt ein weiterer neuer Lebensabschnitt - Bertsch unterbricht die chronologische Schilderung nun mit einem längeren Gespräch zwischen der Chronistin Martina und Dorothea, der Schwester Franz Niemanns. Danach brauchte Franz „Monate, um überhaupt wieder Tritt zu fassen". Ein Aushilfsjob hält den 37jährigen finanziell über Wasser.
Martina berichtet weiter: „Dann geschah etwas mit ihm, das ihn so erfüllte, dass er sein Leben mit neuem Mut anging. Er fing an wieder Musik zu machen, vor allem begann er zu komponieren" (S. 275). Eine besondere Bedeutung erlangt die Wiederbegegnung mit seinem Studienfreund Felix aus der Wiener Zeit, der ihn ermuntert, seine Erfahrungen aufzuschreiben.
Immer wieder registriert er die Verdrängung der Vergangenheit, die Rückkehr alter Kräfte in wichtige Positionen, so auch an der Uni Frankfurt. Sein Freund Leonhard exekutiert einen Nazi-Schergen. Einen Einschnitt markiert ein umfangreicher Bericht des französischen Roten Kreuzes über den Verbleib seiner früheren Liebe Anna und ihres gemeinsamen Kindes. Sie hatte sich der Résistance angeschlossen, wurde verhaftet. Im KZ Struthof verlieren sich ihre Spuren. In diese Zeit fällt auch Niemanns erneute Begegnung mit dem Jazz, mit der Musik Schönbergs und anderer und seine Arbeit am 1. Satz seiner Sinfonie.
Die Handlung führt schließlich bis in die Gegenwart der Chronistin Martina, die Anfang der 1970er Jahre in den Strudel der RAF gerät. Bertsch wählt in seinem Roman die Rolle des auktorialen Erzählers. Er kann so aus der Vielzahl der ihm zur Verfügung stehenden Erzähl-perspektiven diejenige wählen, die ihn in die Lage versetzt, die epische Handlung an jeder beliebigen Stelle zu überschauen und sich bei der Darstellung des Schicksals seiner Gestalten der Vorschau wie der Rückschau zu bedienen. Hierin liegt eine der großen Stärken dieses Romans. Der Roman „Eine Sinfonie der Welt" ist ein beeindruckendes Beispiel für das Ineinandergreifen von Entwicklungs- und Gesellschaftsroman. Bertsch gestaltet dabei eine historische Periode in ihrer Komplexität, indem er viele Seiten des gesellschaftlichen Lebens mit komplexen zwischenmenschlichen Beziehungen der literarischen Figuren zusammenführt.
Beeindruckend sind die klare Sprache und die zahlreich eingestreuten ergänzenden Zitate sowie die knappen, zutreffenden Personen- und Naturbeschreibungen. Nachvollziehbar werden so die geistigen Auseinandersetzungen vorwiegend mit der Philosophie der Frankfurter Schule und mit den modernen Entwicklungen in der klassischen Musik.
Die von Bertsch immer wieder eingestreuten Jahreszahlen sind eine wirkungsvolle Hilfe bei der historischen Einordnung einzelner Episoden. Die übergroße Zahl der Hinweise auf politische Ereignisse, die häufig nur angedeutet werden und ohne Konkretisierung bleiben, wird es jüngeren Leser schwer machen. Sie hemmen an einigen Stellen den Fluss der Erzählung. Hier hätte sich eine Reduktion angeboten.
Dennoch bleibt dieser Roman ein wichtiges Zeugnis dafür, wie Zeitgeschichte, menschliches Wirken, Solidarität, Liebe und Tragödie zu einem erhebenden Erlebnis zusammengeführt werden können.