Alexander Bertsch

Kein Fährmann wartet am Totenfluss (2015)

Die tragische Flucht einer iranischen Familie in ein Land, wo sie ein friedliches, menschenwürdiges Leben ohne politische Verfolgung und Unterdrückung führen möchte. Sie gerät wie so viele Menschen in die Hände international agierender Schleuserbanden, die gewissenlos abkassieren und ihre Opfer im entscheidenden Augenblick im Stich lassen. Nach der Ankunft in Istanbul führt der Fluchtweg durch die nördliche Türkei bis zur griechischen Grenze. Schon die gefährliche Überquerung des Grenzflusses Evros wird für manche zum Verhängnis. Auf sich selbst angewiesen, orientierungslos in die Fremde gestellt, irren diese Menschen einem ungewissen Schicksal entgegen – die einen erreichen schließlich irgendein europäisches Land, andere bleiben zurück.

Der endlich Angekommene muss weiterhin eine Hürde nach der anderen nehmen, deren Sinn er oft nicht verstehen kann. Doch auch Hilfe stellt sich ein: Menschen, die ihn unterstützen und in vielfältiger Weise versuchen, ihn in ein scheinbar ‚normales‘ Leben hineinzuführen – eines vermögen die Helfer allerdings nicht: Die traumatischen Erlebnisse des Geflohenen können sie nicht aus der Welt schaffen.

 

2015 verlag regionalkultur

Bahnhofstraße 2
76698 Ubstadt-Weiher
ISBN 978-3-89735-916-1


Pressestimme

Andreas Sommer in "Heilbronner Stimme" am 7. Oktober 2015

Das Trauma bleibt

NEUERSCHEINUNG Alexander Bertschs erschütternde Flüchtlingsgeschichte „Kein Fährmann wartet am Totenfluss"

Alexander Bertsch hat die Geschichte eines iranischen Flüchtlings aufgeschrieben. Der Abstatter Schriftsteller plädiert dafür,
das Thema Flüchtlinge auf eine juristische Basis zu stellen.

Seit einigen Jahren betreut der Abstatter Schriftsteller Alexander Bertsch zwei Flüchtlinge und einen Studenten aus dem Iran, wobei das Herkunftsland reiner Zufall ist. Jetzt hat Bertsch die tragische Geschichte des Flüchtlings Loran Moradi (Name geändert) aufgeschrieben. Der schmale Band mit dem Titel „Kein Fährmann wartet am Totenfluss" berührt, weil Moradis Schicksal den Autor selbst sehr bewegt hat.
Die Flucht der dreiköpfigen Familie Moradi beginnt im Dezember 2011 in Täbris. Weil Loran kurdisch-stämmig ist, ist er in seiner Heimat Repressalien ausgesetzt. Loran, seine Frau Anaram und sein zwölf jähriger Sohn Onur fliegen nach Istanbul, wo sie eine Woche in einer Flüchtlingsunterkunft leben und von türkischen Schleppern übernommen werden. Die bringen sie nach einer abenteuerlichen Fahrt und beschwerlichen Fußmärschen an die griechische Grenze.
Dort nimmt das Drama seinen Lauf. Die teils rüden Schlepper geraten in Streit mit einigen Flüchtlingen, bei der chaotischen Überfahrt über den türkisch-griechischen Grenzfluss Evros gehen manche Leidgenossen im Schlauchboot über Bord. Anaram verliert ihre Schuhe. Familie Moradi schleppt sich auf der griechischen Seite orientierungslos und alleingelassen durch einen winterkalten Wald, bis Anaram nicht mehr weiter kann. Sie will mit ihrem Sohn warten, bis Loran Hilfe geholt hat. Aber in Griechenland, der Wiege der Ethik (Platon, Aristoteles) will ihn niemand verstehen — nicht einmal der Dolmetscher.
Erfroren Als man sie findet, sind Anaram und Onur erfroren: „Da lagen zwei Menschen. Eine Frau und ein Junge. Wie Loran sie verlassen hatte." Loran, heute 56 Jahre alt, beerdigt seine Familie im Januar 2012 auf einem muslimischen Friedhof  im griechischen Sidero und kommt in unsere Region. Alexander Bertsch: „Über zwei Jahre hat es gedauert, bis er bereit war, über seine Flucht zu sprechen."
Stellvertretend für viele, die solche Schicksale erleiden, hat der Autor diese authentische Geschichte mit einer fiktiven Rahmenhandlung verknüpft. Obwohl er einen nüchtern-unsentimentalen Stil pflegt, erschüttert dieses Einzelschicksal in seiner Tragik und gibt der Flüchtlingsproblematik ein Gesicht inmitten aller Statistiken und Hochrechnungen. Was folgt, sind Moradis haarsträubende Erlebnisse mit der deutschen Bürokratie sowie echte Hilfe und Unterstützung. Das Trauma aber bleibt. Ein Leben lang.